Seit Jahren kellnert Emile für das feine Lokal an der Steilküste. Und seit Jahren schluckt er Beruhigungspillen gegen die Hektik die er jeden Tag erneut erlebt. Tisch 1 wartet mit schreiendem Kind und einer entnervten Mutter seit einer halben Stunde auf das Filet Mignon und der Kinderstuhl wackelt. An Tisch vier dinniert ein reicher Magnat der schon gedroht hat das Restaurant zu kaufen, wenn er nicht sein gekühltes Besteck bekommt. Das Telefon klingelt, die Aushilfe? Ausgefallen.
Zu allem Übel… Tisch Fünf. Der adrette Mann sieht aus wie ein Journalist. Mit einer Kamera auf dem Tisch und einem Notizbuch in der Hand schaut sich dieser Mann unangenehm beobachtend um und schreibt. Emile schluckt, richtet seinen Frack und geht auf den Mann zu. BOOM! Emile schleudert herum und sieht eine Flamme in der Küche. Er sieht sich panisch um und sieht wie in diesem Augenblick Tisch Fünf einen Schnappschuss der Szene macht. Emile möchte versinken.
André setzt sich und hängt sein braunes Jacket leger über den Stuhl. Seine Ledertasche hängt er an seinen Stuhl. Er schaut sich interessiert um, während er Notizbuch und Kamera auf seinen Tisch legt. Die Sonne erhellt durch die großen Fenster den schön eingerichteten Raum. Man sieht die Köche geschätigt bei ihrer Arbeit in der Küche und dahinter der Ausblick aufs Meer, mit der idyllisch bewachsenen Steilküste. Die Atmosphäre ist sonnig und lebendig, wie André es mag. Das Kindergeschrei welches nicht fehlen darf und natürlich der Snob mit Sonnenbrille und Golduhr der sich für wichtig hält. Wie ein buntes Ragout an Menschen. Er zückt seinen Stift.
‘Wir befinden uns im Jahre 2024 nach Christi, im idyllisch gelegenen Don Perignon an der Westküste Frankreichs. Verwöhnt von Sonne, Fauna, Gourmetspeisen und…’ KRACH!
André zuckt zusammen und blickt auf. Der Kellner der im Begriff war auf ihm zuzukommen tut es ihm gleich. Lautes Geklapper, ein Topfdeckel fliegt durch die Gegend. Eine Stichflamme züngelt sich ellenlang in die Höhe. Seine Spezialfähigkeit einsetzend löst André sich aus seiner Starre und schafft es noch einen Schnappschuss zu machen. Er grinst. Sein Blick schweift den des Kellners, welcher jetzt noch blasser aussieht.
Erst jetzt erschreckt sich André. Ein großer krakeliger Strich streicht seine Zeilen. Besorgt kontrolliert er ob sein Füllfederhalter noch intakt ist. Alles ok. ’Verwöhnt von Sonne, Fauna, Gourmetspeisen und… wo Enten in Flammen aufgehen und Topfdeckel das fliegen lernen.’, vollendet er stolz den Satz auf der Seite. Das wird ein großartiger Artikel.
Der Tag ist schön, die Sonne wärmt mich und meine Freunde. Dicht an dicht sind wir gedrängt, immer zusammen. Doch ich habe ein mulmiges Gefühl. Gestern verschwand ein Teil von uns. Ich hörte nur ihre Schreie. Jetzt ist es kühl, ein Schatten liegt auf uns, die Sonne ist nicht zu sehen. Plötzlich spüre ich einen Druck um mich herum, jemand zieht mich weg. Niemand kann mir helfen, ich werde meiner Gemeinschaft einfach entrissen. Ich knalle auf eine harte Oberfläche. Jemand reißt mir die Schale vom Leib, meine Panik wird größer. Völlig bloßgestellt lässt mich ein stechender Schmerz beinahe ohnmächtig werden. Durch all meine Schichten schneidet sich mit brutaler Gleichmäßigkeit etwas metallisches. Ich schreie, doch nichts verändert sich. Ich spüre den nächsten Schnitt, wie er ansetzt, direkt über mir und… Schnitt.
Jacque atmet tief die Luft ein und tritt auf seinen kleinen Balkon. Die eingeklemmte Zeitung unter seinem Arm, findet den Weg auf das Tischchen und der gute Cognac kommt gleich daneben. Die Westküste erfüllt sein Blickfeld. Nach seiner Pension zog er in dieses neumodische Hochhaus direkt neben seinem alten Arbeitsplatz dem schönen Lokal ‘Don Perignon’. Jahrelang hat er dort als höchster Koch und Küchenchef gearbeitet.
Jacque greift seinen abgegriffenen Feldstecher und wirft wie immer einen Blick vom achten Stock runter in das Lokal. Irgendwer muss die Jungs da unten ja kontrollieren, grinst er zu sich selbst. Er entdeckt Monsiour Uhushiro, seinen Nachfolger. Der Japaner stand eines Tages vor der Tür und wollte als Küchenchef angestellt werden. Natürlich habe ich ihm damals die Leviten gelesen, denkt Jacque. Aber der Mann ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und arbeitete jahrelang unermüdlich als Sou-Chef.
Langsam lässt Jacque das Fernlgas schweifen und schaut sich die Küche an. Penibel aufgeräumt, außer bei Ali natürlich. Der jetzige Sou-Chef. Der war schon immer chaotisch. Den Zutaten nach zu urteilen ist provinzianischer Eintopf wieder das Tagesgericht.
Und schon wieder passiert es. Die eine Sache die Jacque Monsiuor Uhushiro nie austreiben konnte. Mon. Uhushiro macht sich selbst daran sich eine Zwiebel zu nehmen, auf die harte Unterlage zu knallen und fachmännisch zu zerschneiden. Ein Küchenchef sollte sich nicht mit sowas aufhalten, aber er scheint unverbesserlich zu sein. Ein leises krachen tönt Jacque ans Ohr und er sieht gerade noch die Stichflamme von Ali’s Topf emporflammen.
Ein Toast auf das Chaos in der Küche. Grinsend nippt er am Cognac.
Uhushiro hat den Überblick. Emile ist zu langsam mit der Kasse und zu hektisch mit den Gästen. Heute gingen schon ein Dutzend Filet Mignons raus und bereits die Zwanzigste Portion Eintopf wird eingekocht. Er denkt an seinen alten Vorgesetzen Jacque während er eine Zwiebel greift. Elegante Bewgung nach rechts, knallen des Gemüses auf die Platte, eine gute Handvoll wohlplatzierter Schnitte. Nächste.
In diesem effizienten Tanz bewegt Uhushiro sich seit Jahren und das ist auch der Grund für den Fortbestand des Lokals. Er übernimmt Aufgaben der anderen Köche um die Ausgabe von Essen beisammenzuhalten, sodass keine Pausen entstehen.
Ein plötzlicher Knall und eine Hitzewelle erreichen Uhushiro von der Seite. Ali schon wieder… Uhushiro schneidet unbeeindruckt weiter seine Zwiebeln ohne je eine Träne zu vergießen. “Ali, ich brauche den Eintopf”, ruft er fordernd. Mit noch angesenkten Augenbrauen stolpert Ali durch die Küche und bringt die verlangte Schüssel. “Wegtreten”, genehmgit Uhushiro und garniert mir seinen blanchierten Spezialzwiebeln das heutige Tagesgericht.
Emile steht schon wieder hektisch und aufgeregt an der Theke, bereit das nächste Essen für Tisch Fünf auszuliefern. Also überreicht er dem gestressten Emile den Teller.
Uhushiro hebt mit einem Lächeln die Hand zum Gruß an den Adretten Mann von Tisch Fünf, der einen Schnappschuss macht und zurück grüßt. “Bon appetit!”
Hintergrund:
Die Geschichte entstand aus einem kleinen Wettbewerb. Die Regeln waren, eine Geschichte zu schreiben die Maximal 1000 Wörter verwendet. Außerdem sollte es um Provinzianischen Eintopf gehen und um Perspektiven. Das waren die Limitierungen, um Kreativität im Schreiben und Konstruieren einer Geschichte zu üben. Einen Frist-Termin, wann die Geschichte fertig sein musste, gab es auch.
Diese Geschichte schrieb ich am:
997 Wörter
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